Toscani – Provokateur oder mutiger Markenführer?
Das war das Thema unseres ersten Brand Club Special Ende August. Anlass bot eine Ausstellung im Museum für Gestaltung Zürich, die dem Schaffen des Fotografen und Creative Directors Oliviero Toscani gewidmet ist. Für den Brand Club besonders interessant: Toscanis ikonischen, wenngleich umstrittenen Werbekampagnen für die Marke Benetton in den 1980er und 1990er Jahren. Mit ihren tabubrechenden Darstellungen von Krankheit, Krieg und sozialen Missständen erregten sie zweifelsohne Aufmerksamkeit, evozierten dabei jedoch aufgrund ihrer provokanten Inhalte und kommentarlosen Medienpräsentation auch heftige Proteste.
Im Anschluss an eine professionelle Führung von Frau Cian Rollo durch die Ausstellung wurde Toscanis Markenarbeit im bewährten Brand Bowl Format intensiv und kontrovers diskutiert. Den Rahmen bildete dabei unser Jahresthema 2024: MARKE UND VERANTWORTUNG.
Darüber, welche Absicht Toscani verfolgte, ob er sich die Reichweite der Marke Benetton zunutze machte, um auf soziale Missstände hinzuweisen oder ob umgekehrt die provokanten Bilder lediglich als Mittel zur Aufmerksamkeitsgenerierung dienten, lässt sich nur mutmaßen. Fakt jedoch ist, dass das Bedeutungskapital, das sich vielleicht durch Toscanis Kampagnen bei der Kundschaft hätte bilden können, entweder zu gering oder nicht vorhanden war. So dass die Marke gegenüber einer aggressiven Konkurrenz und durch die Folgen der Internetrevolution in Bedeutungslosigkeit versank. Und bis heute zu keinem Revival gefunden hat!
Diskutiert wurde vor allem die Frage nach der Bedeutung von Toscanis Kampagnen im Kontext der Markenidentität von Benetton. Lässt sich hier, besonders in Hinblick auf Toscanis spätere Arbeiten, überhaupt noch ein Zusammenhang herstellen?
Dass Toscanis Arbeit den Markennamen Benetton bekannt machte, ist unbestreitbar. Aber offenbar hat sich keine nachhaltige Bedeutung (Markenkapital) bilden können. Kontinuierliche, sich sogar steigernde Provokation im Marketing hat zwar zu Absatzerfolgen und Gewinn geführt. Zur Bildung eines Markenkerns, der für die Lebenswirklichkeit der Kundschaft sinnvoll gewesen wäre, war sie nicht hilfreich. Fazit: Provokation als Dauerkonzept führt letztlich zu Vertrauensverlust auf Seiten der Kundschaft.
Toscanis Überzeugung gegen derartige Bedenken war: «Wer allen gefällt, der gefällt am Schluss niemandem so richtig. Die zwanghafte Suche nach dem Konsens und die Angst vor dem Scheitern führen direkt in die Mittelmässigkeit». Er wollte seiner persönlichen Mission folgen und hat nicht akzeptieren können, dass er als Markenverantwortlicher Entscheidungen und Handeln an einem ihn verpflichtenden Markenkern zu orientieren hat. Ein Ergebnis, das nicht nur zu unserem Jahresthema passt, sondern auch zur momentan laufenden Diskussion über Political Responsibility von Marken.
Unsere Diskussion zeigte, Toscanis Bilder haben keinesfalls an gesellschaftlicher Brisanz verloren. Sie lösen auch heute noch spannende Debatten aus. Wir danken allen Teilnehmenden für die vielseitigen, auch tiefer ins Markenmanagement weisenden Impulse und die engagierte Diskussion!
Für diejenigen, die dieses Mal nicht dabei sein konnten: Die Ausstellung wurde infolge des hohen Interesses bis zum 5. Januar 2025 verlängert. Auch das nächste Brand Club Special ist bereits in Planung. Bis dahin sind hier die kommenden Brand Club Veranstaltungen in DACH zu vielen spannenden Markenthemen zu finden.