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Marken in Zeiten des Wandels. Zwischen Beschleunigung und Nachhaltigkeit

Marken sind mehr als nur Logos und Slogans. Sie sind Spiegelbilder unserer Gesellschaft, Motoren der Wirtschaft und prägen unser tägliches Leben. Doch in einer Welt, die sich immer schneller verändert, stehen Marken vor neuen Herausforderungen und Möglichkeiten.

Jeremy Rifkin hat bereits vor Jahren darauf hingewiesen, dass der Kapitalismus dazu tendiert, immer mehr Lebensbereiche zu ökonomisieren. Rifkin schreibt in seinem Buch Access. Das Verschwinden des Eigentums: „Die Produktion von Kultur ist die letzte Stufe des Kapitalismus, dessen wesentliche Triebkraft es seit jeher war, immer mehr menschliche Aktivitäten für das Wirtschaftsleben zu vereinnahmen“. 

Eva Illouz beschreibt in ihrem Buch Gefühle im Zeitalter des Kapitalismus die ökonomische Formatierung menschlicher Kultur am Beispiel von Hallmark. Der weltweit erfolgreichste Hersteller von Gruß- und Glückwunschkarten, hat inzwischen vorgefertigte Redewendungen für jede Situation des Bedankens, Beglückwünschens oder Bedauerns parat. Damit hat das Unternehmen einen erheblichen Einfluss auf die gesellschaftlich akzeptierte Norm des Vorgangs.

Auf dieser subtilen Ebene arbeitet die „Sinnstiftung“ ebenfalls. Insofern, öffnet die vermeintliche Sinnstiftung natürlich auch das Tor zu neuen Märkten. Bereiche des Lebens, die bisher ohne Unternehmen funktioniert haben. Nicht umsonst fordert Wolfgang Ullrich daher in seinem Buch Alles nur Konsum eine Ethik der Metaphorisierung. Zumindest eine Bildung in Bezug auf die Konsumkultur. Die Bildung eines mündigen Konsumenten den markenführenden Unternehmen allein zu überlassen, führt vermutlich nicht zum Ziel.

Die Beschleunigung des Konsums

Die ursprüngliche Funktion von Marken, Produkte zu identifizieren und Vertrauen zu schaffen, hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Marken wurden zu Statussymbolen, zu Ausdrucksformen der Identität und zu Antrieben für immer neue Konsumwünsche. Die Folge ist ein immer schneller werdender Konsumzyklus, der sowohl ökologisch als auch sozial problematisch ist.

Diese Entwicklung stellt uns vor eine entscheidende Frage: Wollen wir uns weiterhin von diesem immer schneller werdenden Konsumzyklus treiben lassen oder können wir einen anderen Weg einschlagen? Zwei Szenarien skizzieren mögliche Antworten:

Szenario 1: Beschleunigung nimmt zu
Steigt die Geschwindigkeit des Konsums weiter an, droht eine Zukunft, in der Marken totalitäre Macht ausüben und die Menschen zu willenlosen Konsumenten machen. Die Gesellschaft polarisiert sich, die Umwelt leidet und die soziale Ungleichheit wächst.

Szenario 2: Abkehr von der Rendite als einziger Wohlstandsgröße
Eine andere Entwicklung ist denkbar: Eine Abkehr von der reinen Profitmaximierung hin zu einer Wirtschaft, die soziale und ökologische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Marken könnten dann zu Katalysatoren für positive Veränderungen werden, indem sie sich für Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Transparenz einsetzen.

Offene Fragen und Herausforderungen

• Welche Rolle spielen Regierungen und internationale Organisationen? Politische Rahmenbedingungen sind entscheidend für die Gestaltung einer nachhaltigen Wirtschaft. Gesetze, Vorschriften und Anreize können Unternehmen dazu bewegen, verantwortungsvoller zu handeln.
• Wie können Marken einen positiven Beitrag leisten? Marken können durch transparente Kommunikation, faire Arbeitsbedingungen, nachhaltige Produkte und soziale Projekte einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft ausüben.
• Welche neuen Geschäftsmodelle und Technologien gibt es? Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten für nachhaltige Geschäftsmodelle, wie z. B. die Sharing Economy oder die Kreislaufwirtschaft. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, personalisierte und nachhaltige Produkte zu entwickeln.

Die Zukunft der Marken

Die Zukunft der Marken hängt von vielen Faktoren ab. Entscheidend ist, wie wir als Gesellschaft mit den Herausforderungen der Globalisierung, des Klimawandels und der Digitalisierung umgehen. Marken können dabei eine wichtige Rolle spielen, indem sie sich als Teil der Lösung sehen und nicht als Teil des Problems.

Weiterführende Überlegungen

• Künstliche Intelligenz und Markenkommunikation: KI kann personalisierte Marketingkampagnen ermöglichen, aber auch neue ethische Fragen aufwerfen.
• Transparenz und Authentizität: Verbraucher fordern immer mehr Transparenz über die Herkunft und Herstellung von Produkten. Marken müssen authentisch sein und ihre Versprechen halten.
• Globalisierung und Marken: Die Globalisierung bietet Marken neue Märkte, aber auch neue Herausforderungen wie kulturelle Unterschiede und politische Risiken.

Fazit

Marken stehen an einem Wendepunkt. Sie können entweder Teil des Problems sein oder Teil der Lösung. Die Entscheidung liegt bei uns allen. Indem wir bewusst konsumieren, Unternehmen zur Verantwortung ziehen und politische Veränderungen fordern, können wir eine Zukunft gestalten, in der Marken einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten.

Über den Autor

Erich Posselt,Brand Club Ambassador Frankfurt
Erich Posselt
Brand Club Ambassador Frankfurt a.M. | Website

Erich Posselt ist Brand Club Ambassador für Frankfurt a. M. und seines Zeichens Branding-Experte mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung im Markenwesen. Als Geschäftsführender Gesellschafter bei der Neufrankfurt GmbH hat er marktführende Strategien für Boehringer Ingelheim, Comma, Helaba, Fraport und viele andere Top-Unternehmen entwickelt. Aber Marken sind für ihn mehr als nur Beruf – sie sind eine echte Leidenschaft. Im Beruf geht es Erich darum, praktikable Handlungsanweisungen für eine effiziente Markenführung zu entwickeln. In Vorträgen und seinem Buch Marke neu denken. Paradigmenwechsel in der Markenführung (2016) hat er sich außerdem mit grundlegenden Fragen beschäftigt, wie „Wem gehört die Marke – Unternehmen oder Konsumenten?“ oder „Was hat Marke mit Ethik und Nachhaltigkeit zu tun?“. Darüber hinaus erkundet er gerne die Randzonen der Marke – Markenaneignung, Konsumkritik, Marke und Circular Economy.