So fresh!
„Was willst? Für Andere arbeiten, oder eine Marke aufbauen“, fragte vor 30 Jahren ein Kammer-Berater Johannes Gutmann, der gerade seinen Job bei der Waldviertler Regionalentwicklung verloren hatte. Sein Umfeld: Das kalte, alte Waldviertel kurz nach dem Eisernen Vorhang in einem System zwischen Kreisky und Bauernbund, eine HAK Matura und ein nach 14 Tagen abgebrochenen WU-Studium, die Erfahrungen als Bauernkind und als Biervertreter, die Erinnerung an die emotionalen Geschichten des Dorfgreißlers zu jedem seiner Produkte.
Vor 30 Jahren, am 1. August 1988, entschloss Johannes Gutmann, eine Marke aufzubauen und machte sich selbständig. Er fragte fünf Bio-Bauern, ob sie Kräuter anbauen würden, drei sagten zu. „Ich wollte frei sein und Spaß haben. Wer lacht, wird freundlich zurück angelacht. Und es kostet nichts! Das lachende Sonnen-Logo ist entstanden.“ Der Gründer und Geschäftsführer nahm die BesucherInnen vom Brand Club Austria gleich morgens voller Esprit und Freude mit auf seine Erfolgsgeschichte „Vom Spinner zum Winner“.
Zu Beginn verkaufte Johannes Gutmann die Kräuter und Tees am Zwettler Hauptplatz – und befragte die Kundschaft laufend nach ihrer Meinung. Er sieht Entwicklung als permanente Korrektur: „Mach es so wie es dein Herz und Bauch wollen, dann geht’s dir gut. Und wenn es nicht klappt, korrigiere es. Nur Krisen bringen dich weiter! Der Weg entsteht im Gehen.“ Ruhe, Tradition, Erfahrung, Weisheit holte er sich von den alten Leuten, seinen regionalen Bauern, die ihm nicht nur ihre Handarbeit sondern auch ihre Lager am Dachboden anboten.
Der Auslöser für die Kosmetikmarke war ein Zahngesundheits-Tag im Kindergarten: „Als unser Sohn eine bekannte Zahnpasta vom Kindergarten nach Hause gebracht hat – die ihm die „Zahnputztante“ gegeben hat, haben wir bemerkt, dass diese gefährliche Inhaltsstoffe enthält. Ich habe sofort Greenpeace geschrieben. Die hatten zur selben Zeit Ketten bei Toys´r´us angelegt und keine Zeit für Zahnpasta. Auf die Antwort warten wir immer noch.“
Der Vorteil: Die Marketingleute knüpfen von Beginn an ihr Netzwerk und lernen, die Kommunikationsrituale zu verstehen. So gibt es heute auch Spezialisten für die Gastronomie und andere für den Handel, früher war das ein und das selbe Team.
Das Unternehmen entwickelte sich rasant weiter – auch was das Design betrifft.
In Hartberg, heute Sitz von über 100 MitarbeiterInnen, fing alles 1993 an: „Wir haben uns bei der Volksbank 4 Mio. Schilling ausgeborgt, ein Labor aufgebaut – so wie wir uns das vorgestellt haben, mit Mundschutz und weißen Mäntelchen. Ulla hat gerührt und ich die Excel Tabellen ausgefüllt. Um 560.000 Schilling haben wir dann das Rührgerät gekauft. Unsere Freunde und Bekannte haben uns ausgelacht, als ich die ersten Drucksorten, erstellt in Page Maker und Corel Draw, hergezeigt habe.“ Das Unternehmen entwickelte sich rasant weiter – auch was das Design betrifft.
Das Rebranding „so fresh“ und die klare Designsprache stammt von der zweiten Agentur des Unternehmens – moodley – aus 2013 und ist vom Packaging bis zur vegetarischen Kantine spürbar.
Ulla Wannemacher bot als Snack Gemüsesticks und den Supplements-Topseller „chi“ an und fuhr fort, während im Hintergrund am Empfang weiß gebrandete Kartons und Sackerl mit Produkten übergeben wurden: „Wir mussten schon ein Konzept haben, weil wir es besser machen wollten als die anderen. Wenn man so viel Wirkstoffe reingibt, muss man was anderes weglassen. Wir haben nicht Notwendiges weggelassen. Dadurch wurden die Kosmetika aber nicht haltbarer.“
Frische und Vertriebsidee als Erfolgsrezeptur
RINGANA Frischekosmetik kommt ohne Konservierungsmittel aus – der USP von RINGANA. „Wir mussten anfangs viele Chargen wegwerfen, weil die Produkte nicht haltbar sind, und waren bitter enttäuscht. Als wir den Präsident der Apothekerkammer Mitte der 90er befragen wollten, hat er uns ausgelacht und wir waren nach zehn Minuten draußen. Dann hat die Bank Stress gemacht. Erst nach zehn Jahren (1993 Firmenbuch, 1996 erste Produkte) machten wir endlich Gewinn.“, schilderte Andreas Wilfinger, der anfangs die Rezepturen selbst entwickelte: „Ein Rezept auszutüfteln ist normalerweise einfach: Salben-Grundlage, Wasser, Cortison. Wir wollten aber weder tierische Rohstoffe noch Mineralöle verwenden. Da es noch kein Internet gab, war die Recherche aufwändig.
Heute haben wir eine Spitzen-Chemikerin. Getestet haben wir zuerst an der Familie, dann an den Hotelgästen. An Tierversuche mussten wir also nie denken.“, erzählte er gut gelaunt. „Die Kurgäste haben die Produkte immer gern mitgenommen. Aber auf einmal riefen uns wildfremde Gäste an, deren Nachbarn und Freunde. Natürlich haben wir ihnen die Produkte geschickt. Das Wachstum stieg von zwei Bestellungen auf drei, dann auf fünf. Die glückliche Fügung war, dass wir mit genau diesem Networkmarketing unser Vertriebssystem programmiert haben.“
Der Direktvertrieb ist ein wesentlicher Markenbaustein mit GegnerInnen wie auch BefürworterInnen, jedenfalls ist er aber Grund für den großen Erfolg der Marke. Die Entscheidung fiel dafür, weil Frischekosmetik nicht lange im Regal stehen kann – sie wird erst produziert, wenn KundInnen bestellen.
„Weiterempfehlung hat unglaubliche Macht. Es gibt keinen Accounter, keinen Wohnzimmertisch wie bei Tupperware. Für Empfehlungen bekommen Vertriebspartner Provision. Wer RINGANA zB einer Nachbarin empfiehlt, deren Kontakt-Adresse im Internet (datenschutzrechtlich konform) eingibt, und danach der Kontakt einkauft, bekommt Provision von uns. Online Empfehlungsmarketing mit Face-to-face-Komponente sozusagen.“, beschrieb Andreas Wilfinger das Vertriebskonzept. „Ob das Gespräch auf Facebook oder in der Straßenbahn passiert, die Empfehlung passiert über direkte Kontakte. Und wenn die Adresse des Kontakts in unserem System ist, übernehmen wir. Leads werden face to face generiert, der Rest läuft online.“ Er ergänzte, nachdem er eine Mitarbeiterin (wie alle per Du) grüßte: „Wir könnten das auch rein mit Ads machen, aber da ist die Conversion Rate deutlich schlechter und die Lebensdauer kürzer als face to face Conversion.“
Der Erfolg wird mit aktuell 32.000 FrischepartnerInnen geteilt (und 2020 sollen es 100.000 werden): „Unsere produktverliebten PartnerInnen sind zu 90% weiblich, ein gehobener Querschnitt der Bevölkerung mit gesundheitsaffinem Hintergrund – Ärztinnen, Masseure, Ernährungsberater bis Lieschen Müller. Nicht alle sind Nobelpreisträger, aber Bewusstsein und Bildungsgrad sind recht hoch.“
„Hat ein/e FrischeparterIn den Kontakt übergeben, übernehmen wir mit Kundenmagazin, Pressearbeit in ganz Mitteleuropa, Newsletter und sehr viel Social Media (10k/Monat Adbudget), um die Kundin bei der Stange zu halten.“, beschrieb Ulla Wannemacher die Kommunikationskanäle. „Mit gebrandeten Handtüchern bis zu Kosmetiktaschen aus alten Roll-ups beliefern wir JournalistInnen für PR Stories. Aber inserieren würden wir nicht.“
Lucy Seteram (Leitung Marketing) ergänzte: „Blogger, also Influencer, kommen zu uns, wir überlassen ihnen Produkte und sie machen Geschichten, europaweit. Provision in Bargeld fließt dabei nicht. Dabei hätten Blogger aber natürlich auch die Möglichkeit, Vertriebspartner zu werden. Darunter zB Daria Daria, sie postet unsere Produkte als PR Sample, ohne Geld zu bekommen.“
Die Führung folgte weiter durchs Büro, das ‚Kompetenzzentrum‘ mit SpachkorrespondentInnen, die in fünf Sprachen mit PartnerInnen telefonieren und der Produkt-Abteilung mit 15 angestellten ChemikerInnen, die die Produkte laufend optimieren: „Wir investieren viel in unseren Schatz an Erfahrung und die Expertise unseres sehr sympathischen Humankapitals“, erzählte Wilfinger, „was es bei uns aber nicht gibt ist Marktforschung. Wir gehen nach Gefühl. Ich habe nie verstanden, warum Mafo-Statistik nötig ist. Der Konsument weiß doch nicht was er sich wünscht, wenn man offen fragt.
Die Daten im CRM zeigen aber, ob das Produkt passt oder nicht. Unsere Wiederbestellraten zeigen auch, wo ein neuer Versuch gestartet werden muss.“ Mehr als 50 Produkte möchte RINGANA nicht im Sortiment: „Nur 50 Produkte zu haben, das macht uns frisch und schnell. Für unsere VertriebspartnerInnen ist das ohnehin viel. Wenn ein Produkt weniger als 0,5% des Umsatzes schafft, fliegt es raus.“ Bemerkenswert ist, dass es bei RINGANA nur jeweils ein Produkt pro Sparte (zB Shampoo) gibt: „Das Beste, nicht die Vielfalt zählt.“ Per Handarbeit wird jedes im markeneigenen Stil hübsch verpackt.
Eine Marke, die Nachhaltigkeit und Premium-Chic vereint
Neben der Frische ist Nachhaltigkeit ein zentraler Markenwert für RINGANA, der Innen und nach Außen gelebt wird: von der natürliche Verpackung mit Recyclingpapier, Bioplastik, Biobaumwollhandtuch Papierklebeband und essbarem Füllmaterial über Solarkollektoren und Gebrauchtwasserverwendung bis hin zur „first mile“ des Versands mit eigenen LKWs wird auf den schonenden Umgang mit wertvollen Ressourcen geachtet. Die veganen Produkte kommen ohne Tierversuche aus. Mit diesen Argumenten entstand eine Community, die nachhaltig denkt aber auch erfolgsorientiert agiert. Die Positionierung als nachhaltige Premium-Marke ist eine Nische, die RINGANA schuf und für die Design und Inszenierung eine große Rolle spielt.
Wie RINGANA ihre 32.000 selbständigen FrischepartnerInnen face to face mitreißt, erklärte Ulla Wannemacher weiter: „Wenn wir ein neues Produkt präsentieren, dann begeistern wir mit Speakern und Fachvorträgen samt Party. Das hat uns den ‚sektenartigen´ Ruf eingebracht. In Wirklichkeit wollen wir aber einfach die beste gesunde Kosmetik auf den Markt bringen, der Markenaufbau steht an zweiter Stelle.“
Im Jänner lädt RINGANA jedes Jahr zum Kick-off, im September zur Convention – mit Stars der Szene wie dem Musiker und Extremsportler Joey Kelley oder Bergsteiger Reinhold Messner. Auch auf diesen Events wird Bindung ermöglicht und das Branding vermittelt, denn das Brandbook reicht nicht, um eigenverantwortlichen FrischepartnerInnen die CI zu verdeutlichen. „Wir schauen nicht in die Wohnzimmer unserer Partner. Da gibt’s sicher coole Geschichte, aber auch abtenteuerliche. Aber wir prüfen mit großem Aufwand den Social Media Content unserer PartnerInnen. Schlimme Fehler werden als Vernaderung notiert und müssen gelöscht werden. Schwierig wird es für uns, wenn Messestände zB in Italien oder Spanien nicht der CI entsprechen.“
Nach dem 40%-igen Wachstum 2016 überraschte im Vorjahr ein 50%-iges, ungeplantes Wachstum das Gründerpaar. International (Ö-D-CH-ESP-IT-F-UK-PL in absteigender Höhe) erwirtschaftete RINGANA im Vorjahr 80 Mio. Euro Umsatz.
„Das ist schwierig, wenn man mal die Anlieferung von 500 Rohstoffen bedenkt!“, ließ Andreas Wilfinger einblicken und beschrieb das Rezept hinter dem gigantischen Erfolg: „Wir haben kein Interesse am schnellen, sondern am stabilen Geschäft. Perfekte Markenführung ist okay, aber wirklich wichtig ist das Urteil der Kundin. Kauft sie zwei Mal, stimmt das Produkterlebnis. Sie muss begeistert sein – Zufriedenheit reicht in der schwierigen Mitbewerbssituation nicht.“
Das begeisterte Feedback der TeilnehmerInnen nach einem inspirierenden Tag in Hartberg:
„Es ist beeindruckend, dass RINGANA ganz klare Werte nach Außen und nach Innen transportiert!“
„Ich bin verblüfft, dass die Korrektheit von vegan über bio und nachhaltig so elegant als Premiumbrand daherkommen kann. Ein tolles Gründerpaar macht vor, wie es geht, verantwortungsbewusst UND stylisch zu sein!“
„Das Mittagessen im Freien war wunderbar! Und bezeichnend für die Philosophie des Unternehmens: Miteinander, füreinander und gehoben.“
Über den Autor
Charlotte Hager gründete 2008 das Institut comrecon brand navigation (www.comrecon.com) – das Institut für Markenführung. Ziel und Bestreben war und ist es, Marken in ihrer Kommunikation erfolgreicher zu machen. Dafür ist es wichtig, menschliches (Kauf-) Verhalten zu kennen und dementsprechend die richtigen Botschaften in den richtigen Kanälen zu transportieren.
Sie bezeichnet es als „Parship für Marken“, denn „nur wer weiß, wie Menschen ticken und welche Motive, Bedürfnisse und Mängel sie haben, kann entsprechend darauf reagieren.“ Als Semiotikerin weiß sie, wie wichtig Symbole in der werblichen Kommunikation sind. Dazu hält sie Vorträge und Seminare, um Werbetreibende in Bezug auf die Macht der Zeichen und Symbole zu schulen.
Charlotte Hager ist studierte Kommunikationswissenschafterin und Ethnologin. Diverse Zusatzausbildungen wie Systemische Aufstellungen, LEGO® Serious Play®, Employer Branding und Profiling erweitern das analytisch-beratende Spektrum ihrer Tätigkeiten.
Zudem ist Sie Expert Member im Club 55, der European Community for Marketing and Sales (https://www.club55-experts.com).
Charlottes 3 wichtigste Anliegen im Brand Club:
- Marke zur Chefsache machen
- Tiefe Gespräche zu Markenführung und –Strategie
- Neue Formate und Begegnungszonen für einen gewinnbringenden Austausch schaffen