Mit dem Tesla zum Erdbeerpflücken. Aber nicht etwa einfach aufs Land, sondern vor allem in die inszenierte Landwirtschaft. Der Trend zeigt Chancen für den Aufbau nachhaltiger Erlebnis-Marken, wie viele Beispiele zeigen.
War früher das Landleben und die Landwirtschaft mit der Vorstellung harter körperlicher Arbeit verbunden, wird sie heute vor allem von Angehörigen der postindustrialisierten Mittelschicht anders gesehen. In der Betätigung dieser Akteure auf dem Land, also zum Beispiel beim Selberpflücken von Erdbeeren, lassen sich gleich mehrere gesellschaftliche Trends ablesen. Zum einen der ungebrochene Wunsch nach Authentizität. Wer sich selber bückt und pflückt, „performed sein (dem Anspruch nach) besonderes Selbst vor den Anderen, die zum Publikum werden“, wie der Soziologe Andreas Reckwitz es beschreibt. Es ist ein Kampf um Sinn und Sichtbarkeit, weniger um das gesparte Geld durchs Selbermachen. Der Erdbeerhof Glantz (https://glantz.de) bedient diesen Wunsch mit mehreren Feldern zum Selbstpflücken und ist zur regional bekannten Marke geworden.
In eine etwas andere Richtung ist Karls gegangen (www.karls.de). Was einmal als Erdbeerhof begann, ist heute ein durch und durch eventisiertes Marken-Erlebnis, das unter anderem auch noch Erdbeeren pflücken enthält. Im Norden Deutschlands, nämlich in einem Dorf in Mecklenburg, begann Karls vor etwas mehr als 100 Jahren als landwirtschaftlicher Betrieb. Irgendwann stand die Erdbeere im Fokus. Doch so richtig durchgestartet ist Karls dann ab 2010, als der Inhaber sich die Frage stellte, wofür das Unternehmen eigentlich steht und wo Erfolgspotenziale sind. Resultat: „Erlebnisse, die begeistern“. Seitdem sind zahlreiche Karls-Erlebnisse rund um die Erdbeere und die landwirtschaftliche Arbeit entstanden. Beispielsweise mit den sogenannten Karls Erlebnisdörfern, eine Art Freizeitpark rund um die Erdbeere, strukturell vergleichbar mit einem Legoland.
Der Makro-Trend der Nachhaltigkeit ist natürlich ebenfalls ein wichtiges Leitmotiv beim Erleben landwirtschaftlichen Lebens. Das Wulksfelder Hofgut (https://www.gut-wulksfelde.de) bietet beispielsweise Hof- und Kräuterführungen an, neben dem bekannten Selberpflücken. Viele Aktivitäten sind edukatorisch auf Nachhaltigkeit hin konzipiert, daher auch die Zusammenarbeit mit Schulen und ein Seminar-Angebot. Schaut man ein Stück weiter Richtung Norden, fällt einem Fru Möllers Mölleri ins Auge (https://frumollersmolleri.dk). Dieser Anbieter von inszeniertem Landleben in der Nähe von Aarhus versteht es perfekt, nicht zu perfekt zu sein. Ein Brand Design, das handwerklich und selbstgemacht anmutet, ist ebenso passend wie die Inszenierung von Tierethik. Und eine Milchprodukte-Marke wie Hansano aus Norddeutschland versteht die Chance zur Vertrauensbildung und kooperiert mit Landwirten, die zu „Hansano-Höfen“ werden, teils mit touristischer Nutzung. So wird die Kuh zum Touchpoint in der Customer Journey.
Dass das Land in die Stadt kommt, zeigt auch die Markenbildung im Brot-Markt. Insbesondere im hochpreisigen Segment greift aktuell die idealisierte Vorstellung des regional handwerklich erzeugten Brot-Laibs. Copenhagen Coffee Lab ( https://copenhagencoffeelab.com/bakery/de) ist ein Beweis dafür, dass dafür in einem urbanen Umfeld kaum Preissensitivität beim Publikum besteht. In der weiteren Überhöhung in diesem Segment werden erste Bäcker so wie einst Fernseh-Köche als Personen mit einem Konzept und einer Haltung sichtbar. „Autoren-Bäcker“ wie Jochen Gaues zeigen erfolgreich das Prinzip der personalisierten Markenbildung.
Die Beispiele zeigen: Für Anbieter landwirtschaftlicher Erlebnisse und Erzeugnisse ist das Prinzip der Markenbildung ein fruchtbares Feld. Mit den Möglichkeiten digitaler Mikro-Segmentierung können selbst kleine Anbieter ihre regionalen Marken-Erlebnisse zielgerichtet aufbauen.