Holger Meyer ist Impulsgeber beim diesjährigen Brand Forum in Brand/Vorarlberg (23. & 24.6. 2023). Er spricht in seiner Funktion als Chief Digital Officer bei der Volksbank Raiffeisenbank Itzehoe darüber, wie man als Marke in transformativen Zeiten Vertrauen aufbaut und stärkt.
Christian Prill ist als Vorstand Deutschland ehrenamtlich beim Brand Club aktiv. Hauptberuflich beschäftigt ihn die Marktdurchsetzung von Design-Agenturen und deren vor allem mittelständische B2B-Kunden.
Christian Prill: Hallo Holger, schön, dass Du Lust hast, mit mir über deine Bank, die Volksbank Raiffeisenbank Itzehoe, und die Entwicklung im digitalen Zeitalter zu sprechen. Ich falle mal mit der Tür ins Haus und sag Dir, dass ich im letzten Jahr meine Bank nicht von innen gesehen habe. Wozu braucht es Euch noch?
Holger Meyer: Moin Christian. Dann geht es Dir wie inzwischen den meisten unserer Kunden. Man muss uns nicht mehr regelmäßig aufsuchen, um Bank zu erleben. Das Alltägliche wie Überweisungen und die Kontoübersicht kann man wunderbar über die digitalen Kanäle des eigenen PCs und Smartphones hinbekommen. Da ist die Bankfiliale sozusagen ins eigene Wohnzimmer eingezogen, mehr Nähe geht wohl nicht. An Bargeld kann man auch z.B. in einigen Supermärkten mit seinem Einkauf gelangen oder bezahlt gleich mit seiner Karte oder Smartphone.
Christian Prill: Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung nutzt in Deutschland mittlerweile Online-Banking. Diese Menschen stellen sich mit Sicherheit die Frage, warum sie dann extra Schuhe und Jacke anziehen und zur Bank gehen sollen – mit Parkplatzsuche und Wartezeit in der Schalterhalle. Mal ganz abgesehen von den Konditionen. Da werden sich wohl mittlerweile vor allem junge Erwachsene die Frage stellen, welchen Kundennutzen eine Filialbank noch hat.
Holger Meyer: Wir sind keine Direktbank oder digitale Bank, bei der man alles über die App oder ein Callcenter erledigt bekommt. Wir sind vor über 150 Jahren gegründet worden, um den Menschen vor Ort zu helfen. Also werden wir immer die Möglichkeit geben, uns vor Ort aufzusuchen. Zum einen, weil immer eine Kundengruppe diese Art Bankkontakt bevorzugt. Vielmehr aber für die komplexeren Bankthemen, die eine Beratung brauchen. Themen wie Kredite, Geldanlagen, Lebensmodelle, Finanzierungen. Hier sehen wir unseren USP: Wir kennen die Region, die Menschen in der Region und sie kennen uns – sowohl unser Logo, wie auch die Menschen dahinter. Diese Nähe schafft Vertrauen und dann ist man plötzlich doch gerne in der Bank, informiert sich und lässt sich beraten.
Christian Prill: Das heißt doch umgekehrt: Für kalte Bankdienstleistungen allein braucht niemand eine Volksbank mehr. Habt ihr dann nicht ein Riesenproblem, diese Grätsche zwischen Tradition und Digitalisierung hinzubekommen?
Holger Meyer: Es ist eine Frage der Kultur und Einstellung dazu. Auch wir Banker lieben es einfach, schnell, bequem und 24/7. Und bestellen genau wie alle anderen auch online, nutzen Social-Media-Kanäle etc. Ist das sofort auf Bank zu übertragen? Super gerne, wo immer es geht! Gleichzeitig sind Banken besonderen regulatorischen Anforderungen und Datenschutzthemen unterlegen – aus gutem Grund: der Sicherheit und des Vertrauens. Da ist inzwischen vieles schneller, einfacher, bequemer geworden, aber manches braucht eben auch die Prüfschleife.
Wir sehen gerade den Mix aus den generationsübergreifenden persönlichen Kontakten und den digitalen Lösungen als hervorragende Situation für unsere Zukunft. Und dann haben wir noch die Idee der Genossenschaft im Herzen. Dieses Alleinstellungsmerkmal im gesamten Bankensektor ist wesentlich, und darüber kann man noch viel erzählen.
Christian Prill: Das Thema Genossenschaft ist auch aus Markensicht sehr interessant. Man könnte sagen: Gemeinwohlorientierung und verantwortungsvolles Mit-Unternehmertum sind doch der Purpose für eine Bank schlechthin! Was ich für eine große Herausforderung für eine Volksbank halte, ist die Transformation hin zu einer Bank unter der Überschrift „New Work“ mit digital-agilen Arbeitsweisen. Was macht Ihr da konkret?
Holger Meyer: Wir fangen bei uns selbst an! Sind wir alle fit im digitalen Umgang? Wo braucht es Schulungen? Arbeiten wir mit der Belegschaft von Babyboomern bis Generation Z und Alpha alle gleich? Wo können wir voneinander lernen? Sitzen wir in klassischen Linienteams zusammen, oder mixen wir nicht noch stärker in diversen Themen- und Projektteams? Alle diese Frage haben wir inzwischen beantwortet, indem wir es ausprobiert haben. Und die für uns richtigen Erkenntnisse haben wir dann weiter ausgerollt. Unsere Büros, die Technik, aber auch die persönliche Einstellung dazu haben sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt.
Und dann gilt es mehr als je zuvor: gut zuhören! Was bewegt die Kollegen, aber natürlich besonders auch unsere Kunden und die Mitglieder der Bank. Wir unterstützen alle, die den Mut haben, die Zukunft in die Hand zu nehmen. Morgen kann kommen! (Info für Brand-Experten: dies ist die aktuelle VR-Kampagne).
Über den Autor
Christian Prill ist ausgebildeter Soziologe und beschäftigt sich seit 25 Jahren mit Markenführung. Er sagt: „Marke ist sozialer Wille und damit unterm Strich nichts anderes als Vertrauen.“
Er begleitet mit seiner Firma STRAT FWD inhabergeführte Design-Agenturen und Beratungen bei der strukturellen Entwicklung, Positionierung und Marktdurchsetzung. Für deren Kunden entwickelt Christian Prill Marken- und Kommunikationsstrategien. Frei nach dem Motto von Michael Porter: „The essence of strategy is choosing what not to do.”
Christian Prill ist Buchautor (zuletzt: „81 Minuten Fluid Brands“) und Herausgeber (Jahrbuch Markentechnik, „Markenerfolg ist machbar“ u.a.). Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in Fachmedien. Als Germany Representative engagiert er sich für die epda (european brand & packaging design association). Zahlreiche Vorträge zu Markenthemen im In- und Ausland (z.B. Toy Business Forum, Messe Jugend + Kind, Baltic Brand Conference, Österreichischer Marketing-Tag).
Frühere Stationen waren u.a. das Institut für Markentechnik, Brandmeyer Markenberatung (Co-Founder) sowie Factor Design (Mitinhaber und Partner für Brand Strategy).
Christians 3 wichtigste Anliegen im Brand Club:
· den Faktor Wertschöpfung verbessern
· die Verzahnung von Markenstrategie und Design voranbringen
· den Austausch von Brand Professionals fördern